Jahresbericht 2020
April 2021
Jahresbericht 2020
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Das Jahr 2020 wird auch INTERPRET als verrücktes Jahr in Erinnerung bleiben. Grund dafür ist, wie überall, die Corona-Pandemie, die auf das interkulturelle Dolmetschen und Vermitteln und auf die Arbeit von INTERPRET einen grossen Einfluss hatte.
Besonders stark spürbar war ein Rückgang bei den Qualifizierungsverfahren und bei den Moduldurchführungen. Für die Dolmetschenden gab es im Frühling einen grossen Auftragseinbruch, danach hat sich die Situation erholt, wie aus der Einsatzstatistik 2020 ersichtlich ist. INTERPRET und die ganze Dolmetschlandschaft konnten aber auch wichtige Erkenntnisse aus der Krise gewinnen: so wurde zum Beispiel das Ferndolmetschen breiter eingesetzt und diesbezügliche Hürden konnten verringert werden. Diese Erfahrungen sind wichtig für die Zukunft und fliessen in die verschiedenen konzeptuellen Arbeiten von INTERPRET ein.
Sie erhalten mit dem Jahresbericht Einblick in ein paar ausgewählte Geschäfte wie die Totalrevision der Berufsprüfung, die Produktion von Lehrfilmen oder die durchgeführten Qualifizierungsverfahren, welche das Berichtsjahr 2020 geprägt haben.
Viel Vergnügen beim Lesen und bleiben Sie gesund.
Claudia Friedl
Präsidentin INTERPRET, Nationalrätin
Totalrevision der Berufsprüfung
INTERPRET zeichnet als Trägerschaft für die Berufsprüfung "Fachfrau / Fachmann für interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln" verantwortlich. Um neuen Herausforderungen zu begegnen, Lücken im bestehenden System zu schliessen, weitere Einsatzbereiche zu integrieren und dem Beruf zu mehr Anerkennung und Qualität zu verhelfen, hat INTERPRET eine Totalrevision der Berufsprüfung in Angriff genommen. Dabei wird nicht nur die Berufsprüfung überarbeitet, sondern das gesamte Qualifizierungssystem wird von Grund auf neu gedacht.
Mit erfahrenen Praktiker*innen (Dolmetschenden) und Fachpersonen der verschiedenen Einsatzbereiche haben aufschlussreiche und engagierte Analyseworkshops stattgefunden; das Projektteam hat erste Skizzen und Vorschläge erarbeitet; die QSK, die Begleitgruppe und der Vorstand haben diese diskutiert; und der INTERPRET-Vorstand hat erste wegweisende Entscheide gefällt. Unter anderem ist klar, dass es auch in Zukunft einen eidgenössischen Fachausweis geben soll, dass aber das interkulturelle Vermitteln nicht mehr in diesen integriert, sondern als separates Berufsbild mit eigenständiger, der Praxis entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit etabliert werden soll. Für das Dolmetschen wiederum sollen, auf einer breiten Basisqualifikation aufbauend, gezielte Vertiefungsmöglichkeiten entwickelt werden, um den Erwartungen und Anforderungen der unterschiedlichen Bereiche möglichst gut entsprechen zu können.
Noch sind viele Fragen offen und der Weg weit. Grundsätzlich ist das Projekt aber auf sehr guten Wegen und INTERPRET ist zuversichtlich, dass es gelingen wird, die hochgesteckten Ziele der Totalrevision zu erreichen.
Lehrfilme zur Stärkung der kommunikativen Kompetenzen
Was muss ich als Fachperson im gedolmetschten Gespräch beachten? Wie kann ich die dolmetschende Person unterstützen? Was kann ich tun, wenn es mal nicht so rund läuft? Und welchen Mehrwert bieten geschulte Dolmetscher*innen für mein Gespräch?
Die kurzen und prägnanten Lehrfilme, welche vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in Zusammenarbeit mit INTERPRET entwickelt wurden, geben Antworten und regen zum Denken an. Sie sind öffentlich zugänglich: www.zwischensprachen.de/fachpersonen/
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen!
Qualifizierungsverfahren
In sämtlichen Verfahren ist es im Berichtsjahr 2020 zu Rückgängen gekommen. Die Corona-Pandemie hat sich sowohl negativ auf das Weiterbildungsangebot als auch auf die Durchführung von Dolmetschsprachprüfungen ausgewirkt.
- Dolmetschsprachprüfungen
Im Berichtsjahr wurden 117 Prüfungen durchgeführt (-27% zum Vorjahr). Die Bestehensquote lag bei 68%. - Zertifikat INTERPRET
Im Berichtsjahr wurden 66 Zertifikate vergeben (-13% zum Vorjahr). - Gleichwertigkeitsbeurteilungen
Sechs von sieben Gleichwertigkeitsbeurteilungen konnten erfolgreich abgeschlossen werden. - Eidgenössische Berufsprüfung
Sechs von 18 Kandidat*innen absolvierten die Berufsprüfung erfolgreich. Drei Kandidat*innen können die schriftliche Arbeit (Prüfungsteil 1) bis zum 31. März 2021 wiederholen und so den Fachausweis vor der nächsten regulären Prüfungssession erlangen.
Statistiken zum interkulturellen Dolmetschen und Vermitteln
Im Erhebungsjahr 2020 wurden insgesamt 307'151 Einsätze bzw. 355'835 Stunden vermittelt. Im Vergleich zum Vorjahr (305'691 Einsätze) sind damit die Einsatzzahlen sogar etwas gestiegen, was angesichts des Auftragseinbruchs im Frühjahr 2020 aufgrund des ersten Corona-Lockdowns beachtlich ist. Bemerkenswert sind die Verschiebungen bei den Formaten: Die Einsätze im "Dolmetschen vor Ort" sind gegenüber dem Vorjahr um 12% gesunken und damit zum ersten Mal deutlich zurückgegangen. Die Einsätze des Telefon- und Videodolmetschens hingegen haben stark zugenommen und machen mittlerweile bereits 20% aller geleisteten Einsätze aus. Das interkulturelle Vermitteln verbleibt bei einem Anteil von etwa 1% der gesamten Einsätze.
- Statistikbericht der Einsatzzahlen 2020 (PDF, 1.36 MB)
Team INTERPRET
Wir sind das Vereinssekretariat, das Kompetenzzentrum und die Qualifizierungsstelle:
Von links nach rechts:
- Isabelle Wienand: Verantwortliche für Sprachen & Zertifizierung (bis Ende Januar 2021)
- Neela Chatterjee: Leiterin Qualifizierungsstelle
- Isabelle Blank (ab Mai 2020): Projektverantwortliche für die Totalrevision der Berufsprüfung, Gleichwertigkeitsbeurteilungen sowie Entwicklungsprojekte
- Lena Emch-Fassnacht: Verantwortliche Kommunikation & Projekte
- Susanna Paoletti: Dolmetschsprachprüfungen & Zertifizierung
- Michael Müller: Geschäftsleiter & Leiter Kompetenzzentrum
Verein INTERPRET
Vorstand
Per Ende 2020 setzte sich der Vorstand aus folgenden Personen zusammen:
- Claudia Friedl, Nationalrätin (Präsidentin)
- Markus Cott, Integrationsdelegierter des Kantons Schwyz
- Ridha Ghnichi, Jurist, Sozialpädagoge und Dolmetschender mit eidgenössischem Fachausweis
- Naser Morina, Psychotherapeut, Co-Leiter des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer Zürich, Supervisor und Dolmetscher mit Zertifikat INTERPRET
- Barbara Ouedraogo, Leiterin Dolmetschdienst "se comprendre" und Leiterin der Abteilung Migration & Integration Suisse Romande von Caritas Schweiz
- Brigitte Pahud Vermeulen, stellvertretende Leiterin des Departements "Vulnérabilités et médecine sociale", Verantwortliche für die Koordination des Dolmetschens im Departement Unisanté in Lausanne und Ko-Präsidentin des RESAMI (Réseau de santé et migration, Netzwerk Gesundheit und Migration)
- Claudia Studer, Ausbildungsleiterin im Projekt MEL der Regionalstelle HEKS beider Basel
- Nicole Weiss, Übersetzerin, Dolmetscherin mit Zertifikat INTERPRET und Ausbildnerin, Mitglied der Kommission für Qualitätssicherung QSK von INTERPRET
Mitglieder des Vereins INTERPRET
Die Mitglieder des Vereins setzten sich per Ende 2020 wie folgt zusammen:
Auf Wiedersehen
Im Berichtsjahr 2020 haben sich acht Personen von INTERPRET verabschiedet:
- Barbara Ackermann, Vorstandsmitglied
hat während mehr als 10 Jahren INTERPRET mitgeprägt, zuerst als Co-Präsidentin, später als Mitglied des Geschäftsleistungsausschusses. Wir freuen uns, dass sie ihre Funktion als Präsidentin der QSK vorderhand beibehält. - Necdet Civkin, Vorstandsmitglied
war als Vertreter der aktiven interkulturell Dolmetschenden im Vorstand. - Janine Cola, Mitglied der QSK und der Fachkommission Sprachen
ist Ende 2020 von ihren Funktionen bei INTERPRET zurückgetreten. Damit ging eine lange, intensive und überaus fruchtbare Zusammenarbeit zu Ende: Als Mitarbeiterin von idea sagl. und Weggefährtin von Margrith Hagenow war sie seit dem Aufbau der Qualifizierungssystems aktiv mit dabei. - Thomas Heyn, Vorstandsmitglied
war als Delegierter der Konferenz der Kantonalen Integrationsdelegierten im Vorstand vertreten. - Fiammetta Jahreiss, Vorstandsmitglied
hat als Vizepräsidentin von FIMM und EKM, Gemeinderätin der Stadt Zürich und Leiterin der Regionalstelle Zürich von ECAP vielfältige Erfahrungen einbringen können. - Ariane Montagne, Vorstandsmitglied
hat als Vertreterin der kleinen Walliser Vermittlungsstelle AVIC die Perspektiven und Anliegen der Randregionen sowie der Romandie eingebracht. - Virginia Suter Reich, Mitglied Fachkommission Sprachen
hat mit ihrem fundierten Fachwissen bezüglich den Erwerb und die Überprüfung von (Fremd-)Sprachen die Arbeit der Fachkommission massgeblich bereichert. - Isabelle Wienand, Mitarbeiterin Kompetenzzentrum und Qualifizierungsstelle
hat INTERPRET Ende Januar 2021 verlassen und legt ihren beruflichen Fokus auf andere, bereits eingeschlagene Wege.
Wir danken allen ganz herzlich für die angenehme und fruchtbare Zusammenarbeit und wünschen ihnen in ihrem beruflichen und privaten Umfeld viel Erfolg und Freude.
Finanzbericht
Der grösste Teil der Arbeiten von Qualifizierungsstelle und Kompetenzzentrum fand auch im Berichtsjahr im Rahmen des subventionierten Programms statt und wurde gemäss Subventionsvertrag für die Jahre 2020 - 2021 durch das Staatssekretariat für Migration SEM und das Bundesamt für Gesundheit BAG finanziert.
Eine weitere Einnahmequelle stellen die Gebühren für die verschiedenen Qualifizierungsverfahren sowie die Subventionen des Staatssekretariats für Berufsbildung, Forschung und Innovation SBFI für die Arbeiten im Zusammenhang mit den eidgenössischen Berufsprüfungen dar. Normalerweise tragen zudem der Verkauf von Informationsmaterialien sowie gelegentliche Honorare für Referate und Schulungen in bescheidenem Masse zur Finanzierung der beiden Geschäftsbereiche bei. Diese Einnahmen sind auf Grund der zahlreichen Absagen und Verschiebungen im Coronajahr praktisch ausgeblieben.
Die Arbeit, welche für den Verein geleistet wurde, wird in der Abrechnung separat ausgewiesen, ebenso die Aufwände für im Programm 2020-2021 nicht enthaltene Projekte. Insgesamt schlossen der Verein INTERPPRET und die verschiedenen operativen Bereiche im budgetierten Rahmen ab.
- Revisionsbericht 2020 (PDF, 234.8 KB)