Einsatzbereich Soziales
Der Anteil der Einsätze von interkulturell Dolmetschenden am Jahrestotal aller Vermittlungsstellen beläuft sich im Sozialbereich seit mehreren Jahren zwischen 20 und 30 Prozent. Davon fallen über 50 Prozent der Einsätze auf den Unterbereich Sozialamt.
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Bereichsspezifische Termini in Herrn Szabós* Vorabklärungsgespräch
Herr Szabó meldet sich bei der Empfangsstelle des Sozialzentrums Selnau und möchte einen Antrag auf Sozialhilfe stellen. Der Sachbearbeiter bespricht mit ihm die diversen Formulare, welche ausgefüllt werden müssen. Die alltägliche Kommunikation fällt Herrn Szabó leicht, da er relativ gut Deutsch kann. Beim Ausfüllen des Antrags stösst Herr Szabó aber auf viele unbekannte Termini, wie zum Beispiel Konkubinat, Aussteuerung oder dritte Säule. Dem Sachbearbeiter fällt dies ebenfalls auf und er fragt deshalb Herrn Szabó, ob er für das Vorabklärungsgespräch mit einer Sozialarbeiterin eine interkulturell dolmetschende Person organisieren solle. Herr Szabó nimmt das Angebot dankend an.
Im Vorabklärungsgespräch vervollständigt die Sozialarbeiterin mit Herrn Szabó den Antrag. Mithilfe der interkulturell Dolmetschenden können begriffliche und inhaltliche Unklarheiten beseitigt werden. Zudem informiert die Sozialarbeiterin Herrn Szabó ausführlich über die gegenseitigen Rechte und Pflichten in der zukünftigen Zusammenarbeit. Das Gespräch verläuft zur Zufriedenheit von allen und die Sozialarbeiterin und Herr Szabó beschliessen, dass das Erstgespräch mit dem definitiv zugewiesenen Sozialarbeiter ohne interkulturelle Verdolmetschung stattfinden wird.
Intake des Sozialzentrums Selnau, Stadt Zürich
*Name geändert
Ein weit gefasster Bereich
Der Bereich Soziales umfasst sehr viele und unterschiedliche Institutionen auf verschiedenen politischen Ebenen. Kantonal geregelt sind zum Beispiel folgende Institutionen:
- Regionale Arbeitsvermittlung RAV
- Invalidenversicherung IV
- Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden KESB
- Opferhilfe
- Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (insb. Case Management Berufsbildung)
In der Verantwortung der Gemeinden hingegen liegen folgende Dienste (wobei diese zum Teil auch regional organisiert sind):
- Sozialdienste, Sozialämter
- Einwohnerkontrollen
- Jugend- und Zivilstandsämter
- Erstinformationen und Begrüssungsgespräche für neu Zugewanderte sowie die Integrationsvereinbarungen
Hinzu kommen weitere private und öffentlich-rechtliche Beratungsstellen, wie zum Beispiel die Mütter- und Väterberatung oder Aids Hilfe Bern.
Teilweise Finanzierung und Institutionalisierung
Bemühungen in Richtung Verankerung, Institutionalisierung und Regelung der Finanzierung gestalten sich aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten sehr schwierig und unübersichtlich. Akteure, welche sich zur Bedeutung des interkulturellen Dolmetschens geäussert haben, sind unter anderem:
- Schweizerische Konferenz der Sozialdirektorinnen und -direktoren SODK
- Handbuch Sozialhilfe des Kantons Bern
In der Sozialhilfe, dem grössten Einsatzbereich, ist die Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden im Vergleich zu den anderen Institutionen der sozialen Sicherung und Bildung am weitesten verankert. Die Dolmetschkosten können über die Situationsbedingten Leistungen (SIL) abgerechnet werden. Wie weit die Mitarbeitenden jedoch die Kosten effektiv über die SIL abrechnen dürfen, liegt entweder an der Existenz von internen Richtlinien oder eines Handbuchs (wie jenes des Kantons Bern) oder an einer mündlichen internen Weisung der Leitung.
Interkulturelles Dolmetschen in fünf Institutionen der Sozialhilfe
Im Rahmen der IIZ-Studie von INTERPRET (2016) (siehe Marginalspalte und Projekte und Veröffentlichungen) wurden fünf unterschiedliche Institutionen der Sozialhilfe, bzw. Sozialdienste in den Kantonen Basel-Stadt (Sozialhilfe), Bern (Intake des Sozialdienstes Stadt Bern, Soziale Dienste Stadt Langenthal und Regionaler Sozialdienst Aarwangen) und Zürich (Intake des Sozialzentrums Selnau) untersucht.
Finanzierung der Dolmetschleistungen für Fälle der Sozialhilfe
Die Dolmetschleistungen werden in den untersuchten Sozialen Diensten und Institutionen der Sozialhilfe über die Situationsbedingten Leistungen (SIL) abgerechnet. Obwohl die Finanzierung der Dolmetschleistungen über die SIL grundsätzlich möglich ist, werden interkulturell Dolmetschende unterschiedlich restriktiv bzw. grosszügig eingesetzt.
Fachpersonen aus Basel und Langenthal berichten, dass sie aus kostentechnischen Gründen oft und im Zweifelsfall immer auf die Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden verzichten, obwohl deren Beizug zum Teil angebracht ist. Demgegenüber betonen die Fachpersonen aus den Sozialdiensten der Städte Bern und Zürich, dass die Finanzierung der Dolmetschkosten in keinem Fall ein Hinderungsgrund für den Beizug von interkulturell Dolmetschenden sei. Der frühzeitige Beizug von interkulturell Dolmetschenden würde sich in jedem Fall sowohl in finanzieller als auch in qualitativer Hinsicht lohnen.
Qualität und Nutzen der Zusammenarbeit
Die Sozialarbeitenden erkennen einen hohen bis sehr hohen Nutzen in der Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden. Sie schätzen an erster Stelle die hohe Qualität der Dolmetschleistung, weiter die Möglichkeit, in einen persönlicheren Austausch zu treten, und schliesslich die Tatsache, dass der Beratungsauftrag effizienter und effektiver erfüllt werden kann.
Obwohl fast alle Fachpersonen davon berichten, dass die Zusammenarbeit mit privaten Übersetzungshilfen schwierig ist, arbeiten doch viele Fachpersonen weiterhin mit Verwandten und Bekannten. Die Mühen mit privaten Übersetzungshilfen werden zwar erkannt aber weitgehend als sich aus der Beratungsarbeit mit fremdsprachigen Klientinnen und Klienten ergebende Tatsache akzeptiert.
Fazit aus der Studie zum Dolmetschen in Institutionen der Sozialhilfe
Das interkulturelle Dolmetschen als Instrument der Verständigung ist in Sozialen Diensten und Institutionen der Sozialhilfe mehrheitlich bekannt, die Finanzierung von Dolmetschleistungen über die SIL grundsätzlich möglich. Die Kantone Bern und Zürich verfügen zudem über eine institutionelle Verankerung der Zusammenarbeit in den kantonalen Handbüchern. Und dennoch arbeiten die Institutionen oder sogar einzelne Fachpersonen sehr unterschiedlich mit interkulturell Dolmetschenden. Hemmend auf die Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden wirken in den vorgebrachten Fallbeispielen unter anderem die Tatsachen, dass die Zusammenarbeit mit privaten Übersetzungshilfen teilweise nach wie vor stark verankert ist, dass die Institutionen über keine gemeinsame Kultur der Verständigung verfügen oder dass die Notwendigkeit einer interkulturellen Verdolmetschung von den Fachpersonen nicht rechtzeitig erkannt wird. Zudem werden die Finanzierungsmöglichkeiten über die SIL von Seiten der Leitungspersonen unterschiedlich ausgelegt.