Einsatzbereich Bildung
Der Anteil Einsätze in der Bildung beläuft sich auf gut 10%. Die Einsätze verteilen sich mehrheitlich auf die Unterbereiche Primarstufe, Psychosoziale Angebote, Sonderschulisches und Sekundarstufe I.
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Tareks* Berufswahl
Die Eltern von Tarek leben als vorläufig aufgenommene Flüchtlinge mit ihren drei Kindern in der Schweiz. Die Deutschkenntnisse der Eltern sind schlecht, der Austausch zwischen Schule und Eltern wird dadurch stark erschwert.
Der Übergang von der Sekundarstufe I in die Sek II gestaltet sich für Tarek schwierig. Seine Eltern erwarten, dass er das Gymnasium besucht, Tareks schulische Leistungen reichen dafür aber nicht aus. Die Lehrperson aus der Sek I meldet Tarek bei der Fachstelle CM BB an.
In gemeinsamen Sitzungen mit Tarek, seinen Eltern, einer Case Managerin und einer interkulturell Dolmetschenden wird die Situation von Tarek besprochen, und es wird nach einem Weg gesucht, welcher den Ansprüchen aller Beteiligten entspricht. In den Gesprächen geht es insbesondere auch darum, Tareks Eltern aufzuzeigen, wie die Berufswahl und das duale Bildungssystem in der Schweiz funktionieren und welchen Wert eine Berufsausbildung in der Schweiz hat. Für Tarek kann schliesslich eine Anschlusslösung gefunden werden: Er macht eine Berufsausbildung und ist aktuell im 2. Lehrjahr.
Fachstelle Case Management Berufsbildung, Kanton Solothurn
*Name geändert
Verantwortung liegt bei den Gemeinden
Die aktuelle Situation bezüglich der Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden im Bildungsbereich präsentiert sich ausgesprochen uneinheitlich. Der Bereich Bildung liegt in der Kompetenz der Kantone. Die Verantwortung für die Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden liegt hingegen bei den einzelnen Gemeinden, Schulhäusern oder Lehrpersonen. Auch die Regelung der Finanzierung liegt in deren Händen. Die Häufigkeit und Professionalität der Einsätze variiert daher beträchtlich. Sehr selten sind kantonale Leitlinien vorhanden, zum Teil existieren kommunale Vorgaben, öfters und vor allem in grösseren, städtischen Gemeinden können Lehrpersonen auf Merkblätter oder sogar Richtlinien zurückgreifen.
Zum Beispiel:
- Stadt Biel: Biel verfügt über eine Verordnung, welche die Zusammenarbeit mit interkulturell Dolmetschenden regelt (Ikü-Verordnung).
- Kanton Fribourg: Ein Reglement legt die Zusammenarbeit und Finanzierung für Schulen fest (Reglement zum Gesetz über die obligatorische Schule 411.0.11, Art. 56)
- Stadt Winterthur: Die Fachstelle Integrationsförderung vermittelt interkulturell Dolmetschende für die Bereiche Schule, Soziales und Gesundheit. Richtlinien und Ablauf der Vermittlung werden auf der entsprechenden Seite beschrieben.
- Kanton Basel-Landschaft: Im Rahmen einer Vergünstigungsaktion (des Fachbereichs Integration, Interkulturelles Dolmetschen) können Mitarbeitende aus Sozialen Diensten, Kindergärten/Primarschulen und Mütter-Väterberatungen eine begrenzte Zahl ermässigter Dolmetschstunden (um ein Drittel) beziehen.
Die Aufzählung ist nicht abschliessend, sondern zeigt eine Auswahl an Möglichkeiten für die Verankerung und Regulierung (Stand Frühling 2019).
Typische Gesprächssituationen
Professionelle interkulturell Dolmetschenden werden in der Regel dann beigezogen, wenn Verständigungs-schwierigkeiten (sprachlicher oder kultureller Art) zu komplexen oder emotionalen Themen vorliegen. Konkret handelt es sich um folgende Themenbereiche:
- Übertritte
& Laufbahnentscheide:
In diesen Gesprächen geht es um Übertritte innerhalb der obligatorischen Schulzeit oder um den Übergang in die nachobligatorische Bildung. Oft gibt es betreffend dem schweizerischen Ausbildungs- und Berufsbildungssystem Erklärungsbedarf. - Standortbestimmung
& schulische Leistungen:
Zeugnisgespräche sind konfliktgefährdet, weil zwischen Lehrperson und Eltern oft unterschiedliche Wahrnehmungen über die schulischen Leistungen des Kindes bestehen. - Stützunterricht
& Fördermassnahmen:
In diesen Gesprächen werden spezifische Unterstützungs- oder Fördermassnahmen für das Kind besprochen (z.B. Unterricht in Logopädie, Psychomotorik, individuelle Lernziele). Der Nutzen dieser spezifischen Förderung soll aufgezeigt und einer Stigmatisierung entgegengewirkt werden. - Soziale
Probleme:
Bei diesen Gesprächen sind oft die Schulsozialarbeit oder der Schulpsychologische Dienst miteinbezogen. Inhaltlich geht es insb. um gewalttätiges, asoziales oder aggressives Verhalten der Schülerin oder des Schülers sowie um Schulverweigerung, Verwahrlosungsverdacht oder um eine mögliche Gefährdung des Kindswohls (Gewalt, Missbrauch). - Allgemeine
Verständigungsschwierigkeiten:
Hierunter fallen Verständigungsprobleme über den Stundenplan, den Schulbusplan, den Schwimmunterricht, das Frühstück oder die Pünktlichkeit.
In einem Bericht von 2012 (überarbeitete Fassung 2014) hat INTERPRET die aktuelle Praxis des interkulturellen Dolmetschens und Handlungsempfehlungen anhand von gut funktionierenden Fallbeispielen im Bildungsbereich erarbeitet (mehr Informationen dazu in der Rubrik Projekte und Veröffentlichungen oder in der Infothek).